Gesellschaftsrechtsreform in der Türkei

I. Einleitung

Zum 1. Juli 2012 ist die Neufassung des türkischen Handelsgesetzbuches in Kraft getreten. Zwar wurde die grundlegende Struktur beibehalten, dennoch finden sich wichtige, praxisrelevante Änderungen, insbesondere was das Gesellschaftsrecht angeht. So wurde unter anderem die Gründung der beiden, bei ausländischen Investoren sehr beliebten, Gesellschaftsformen der türkischen GmbH (Limited Şirketi) und Aktiengesellschaft (Anonim Şirketi) erleichtert.

Einige ursprünglich vorgesehene Verschärfungen hinsichtlich der Gründung und Organisation der Gesellschaften sind mit einem Änderungsgesetz einige Tage vor dem Inkrafttreten der Reform aufgehoben worden. Dadurch sind die nachteiligen Aspekte der Reform vor dem Inkrafttreten beseitigt worden, welche insbesondere für ausländische Investoren problematisch gewesen wären.

II. Änderungen für Aktiengesellschaften (Anonim Şirketi)

1. Gründung und Organisation

Zur Gründung einer Aktiengesellschaft sind von nun an nicht mehr fünf, sondern nur noch eine Person erforderlich, was die Gründung erheblich erleichtert, da kein zusätzlicher Partner mehr notwendig ist.

Das Mindeststammkapitalerfordernis von 50.000,00 TL ist gleich geblieben. Ein Viertel des Stammkapitals ist sofort einzuzahlen und der Rest kann innerhalb von 24 Monaten eingezahlt werden.

Die Vorstandsmitglieder müssen nicht mehr gleichzeitig Anteilseigner sein. Die oft kritisch beäugte persönliche Haftung der Vorstände im Falle öffentlicher Schulden wird beibehalten, muss jedoch von einer entsprechenden Versicherung gedeckt sein.

Die mit der Reform ursprünglich beabsichtigten Verschärfungen bezüglich der Vorstandsmitglieder (wie Wohnsitz in der Türkei, Hochschulabschluss, türkische Staatsbürgerschaft etc.) sind sinnvollerweise mit dem Änderungsgesetz bereits vor dem Inkrafttreten abgeschafft worden.

In organisatorischer Hinsicht sind die Befugnisse von Vorstand und Hauptversammlung klar zu trennen und dürfen nicht übertragbar sein.

Im Rahmen der Bestrebungen, den Einsatz neuer Medien zu erleichtern, ist es von nun an möglich, Hauptversammlungen mittels audio-visueller Medien online abzuhalten. Auch Vorstandsbeschlüsse können von nun an mit elektronischer Kommunikation gefasst werden, müssen jedoch nachträglich mit Originalunterschriften versehen werden.

2. Prüfungs- und Offenlegungspflichten

Die ursprünglich für alle Gesellschaften vorgesehene unabhängige Prüfung durch eine externe Prüfungsgesellschaft wurde mit dem Änderungsgesetz nur auf die bestimmten großen Gesellschaften eingeschränkt, deren Kriterien noch vom Ministerrat zu regeln sind.

Auch die Regeln über die Buchhaltung wurden mit den dahingehenden internationalen Standards (International Financial Reporting Standards – IFRS) harmonisiert.

Die für jede Gesellschaft vorgesehene Pflicht, eine eigene Website zu betreiben und darauf bestimmte Geschäftsinformationen zu veröffentlichen, wurde nach heftiger Kritik der Geschäftswelt aufgehoben und nur für große Unternehmen beibehalten. Jedenfalls müssen aber auf den geschäftlichen Dokumenten mindestens die Firma, die Handelsregisternummer und der Geschäftssitz angegeben werden.

III. Änderungen für GmbHs (Limited Şirketi)

1. Gründung und Organisation

Die türkische Gesellschaftsrechtsreform hat auch die Gründung einer türkischen GmbH (Limited) erleichtert. Wie die Aktiengesellschaft ist sie von nun an als „Einmanngesellschaft“ möglich.

Auf der anderen Seite wurde das Mindeststammkapital von zuvor 5.000,00 TL (ca. 2.200,00 EUR) auf nun 10.000,00 TL (ca. 4.400,00 EUR) erhöht. Ein Viertel des Stammkapitals ist sofort einzuzahlen und der Rest kann innerhalb von 24 Monaten eingezahlt werden.

Die persönliche Haftung der Gesellschafter bei öffentlichen Schulden wurde beibehalten. Die ursprünglich vorgesehene Vorschrift ist aufgehoben, nach welcher zumindest einer der Geschäftsführer seinen Wohnsitz in der Türkei haben musste.

Neu ist bei Limited Gesellschaft, dass mindestens ein Gesellschafter Geschäftsführer bestellt werden muss. Wenn eine juristische Person (Gesellschaft) Geschäftsführer bestellt wird, muss diese juristische Person unbedingt eine natürliche Person als Vertreter benennen.

2. Prüfungs- und Offenlegungspflichten

Die Anforderungen der türkischen GmbH hinsichtlich ihrer Prüfungs- und Offenlegungspflichten wurde weitgehend denen der Aktiengesellschaft angeglichen. Größere GmbHs haben einen externen unabhängigen Wirtschaftsprüfer zu bestimmen. Prüfung und Buchhaltung haben mit oben genannten türkischen bzw. internationalen Standards übereinzustimmen.

Die Verpflichtung, eine eigene Webseite zu eröffnen und darauf bestimmte Geschäftsinformationen zu veröffentlichen, wurde auch für die Limited-Gesellschaft grundsätzlich revidiert. Die Pflicht, in den geschäftlichen Dokumenten die Firma, die Handelsregisternummer und den Geschäftssitz anzugeben, gilt ebenfalls auch für Limited-Gesellschaften.

IV. Umsetzungsfristen

Die neue Fassung des türkischen Handelsgesetzbuchs im Allgemeinen ist zum 1. Juli 2012 in Kraft getreten. Sämtliche Neuregelungen sind für alle ab dem 1. Juli 2012 neu zu gründenden Gesellschaften gültig.

Dagegen treten für die davor gegründeten Gesellschaften nicht alle Vorschriften des Gesetzes gleichzeitig in Kraft. Der Gesetzgeber hat zugunsten der existierenden Gesellschaften verschiedene Umsetzungsfristen eingeräumt. Diese haben die Neuerungen grundsätzlich binnen 18 Monaten nach Inkrafttreten (bis Februar 2014) in ihre Satzungen zu integrieren. Dabei werden vor allem die Erhöhung des Stammkapitals für Limited-Gesellschaften mit weniger Stammkapital als 10.000,00 TL und die Verpflichtung zur Bestellung eines Gesellschafters als Geschäftsführer für Handlungsbedarf sorgen.

Die neu eingeführten Standards hinsichtlich der Buchhaltung sind zum 1. Januar 2013 einzuhalten. Dagegen muss die Benennung eines unabhängigen Wirtschaftsprüfers bei den größeren Gesellschaften spätestens bis 1. März 2013 erfolgen.