Allianz: Verordnung zu drittstaatlichen Subventionen: Wie wird sich die neue Verordnung auf den Markt für M&A und Gebote bei öffentlichen Ausschreibungen auswirken und diesen verändern?

Inhaltsverzeichnis


I. Was ist die FSR-Verordnung?

Am 12. Januar 2023 ist die Verordnung (EU) 2022/2560 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. Dezember 2022 über den Binnenmarkt verzerrende drittstaatliche Subventionen (nachfolgend: die „FSR-Verordnung“) in Kraft getreten.

Die FSR-Verordnung, die ab dem 12. Juli 2023 Anwendung findet, stattet die Europäische Kommission (nachfolgend: die „Kommission“) mit neuen Instrumenten aus, die eine Verzerrung des Wettbewerbs auf dem Binnenmarkt (EU-Markt) durch „drittstaatliche Subventionen“ verhindern, d. h. Subventionen, die von den Nicht-EU-Staaten den auf dem Binnenmarkt tätigen Unternehmen gewährt werden.

Es ist zu erwarten, dass eine breite Auslegung des Begriffs „drittstaatliche Subventionen“ in Kombination mit der Anwendung der FSR-Verordnung auf M&A-Geschäfte und Gebote bei öffentlichen Ausschreibungen den unfairen Wettbewerbsvorteil der Empfänger drittstaatlicher Subventionen verringern wird.

II. Warum ist die FSR-Verordung nötig?

Faire Wettbewerbsbedingungen auf dem Binnenmarkt waren eines der wichtigsten Ziele innerhalb der EU. Wettbewerbsverzerrungen aufgrund von Subventionen, die von den EU-Mitgliedstaaten gewährt werden, haben nachteilige Auswirkungen auf den Binnenmarkt und untergraben das Hauptziel – die Realisierung eines echten Wettbewerbs auf dem Binnenmarkt.

Auf interner (EU-) Ebene werden solche Verzerrungen durch umfassende Regeln zur Gewährung von staatlichen Beihilfen abgemildert – nach EU-Recht unterliegen die von den EU-Mitgliedstaaten gewährten Subventionen strengen Regeln und Prüfungen.

Diese Regeln begrenzen und mindern zwar effektiv unangemessene Verzerrungen des Binnenmarktes, gelten jedoch nicht für drittstaatliche Subventionen, d. h. Subventionen, die von Nicht-EU-Staaten gewährt und nicht geprüft werden.

Drittstaatliche Subventionen verschaffen ihren Empfängern einen unfairen Vorteil im Wettbewerb mit anderen Marktteilnehmern. So können beispielsweise die Empfänger drittstaatlicher Subventionen bei öffentlichen Ausschreibungen bessere Angebote abgeben oder bei M&A-Transaktionen attraktivere Finanzkonditionen anbieten. Dies kann eindeutig zu einer Unterbietung der Wettbewerber führen und den langfristigen Wettbewerb innerhalb der EU verzerren.

Daher hat die EU angesichts der bevorstehenden wirtschaftlichen Turbulenzen und zur Bewältigung der Herausforderungen für die Wettbewerbsfähigkeit und Transparenz des Binnenmarktes eine Verordnung verabschiedet (d. h. die FSR-Verordnung), die darauf abzielt, die Regulierungslücke in Bezug auf drittstaatliche Subventionen zu schließen, die Verzerrungen zu beseitigen und letztendlich die fairen Wettbewerbsbedingungen auf dem Binnenmarkt zu stärken.

III. Wie wird sich die FSR-Verordnung auf M&A-Geschäfte auswirken?

Die FSR-Verordnung gilt für alle auf dem EU-Markt tätigen Unternehmen, die von drittstaatlichen Subventionen profitieren, welche als direkte oder indirekte „finanzielle Zuwendung“ gelten, beispielsweise:

  • die Übertragung von Geldern oder Verbindlichkeiten, z. B. Kapitalspritzen, Zuschüsse, Darlehen, Darlehensgarantien, steuerliche Anreize, die Aufrechnung von Betriebsverlusten, Entschädigungen für von öffentlichen Behörden auferlegte finanzielle Belastungen, Schuldenerlässe, die Umwandlung von Forderungen in Aktienkapital oder Umschuldungen;
  • der Verzicht auf anderweitig fällige Einnahmen, z. B. Steuerbefreiungen oder die Gewährung von Sonder- oder Exklusivrechten ohne angemessene Vergütung; oder
  • die Bereitstellung oder der Kauf von Waren oder Dienstleistungen.

Wichtig ist festzuhalten, dass solche drittstaatlichen Subventionen nicht prinzipiell verboten sind. Ihre Existenz löst jedoch bei Zusammenschlüssen eine zusätzliche Kontrollebene aus, d. h. bei M&A-Geschäften (Fusionen zwischen zwei oder mehr Unternehmen, Erwerb von Unternehmen oder Vermögenswerten, Gemeinschaftsunternehmen) und öffentlichen Ausschreibungen.

Diejenigen M&A-Geschäfte, bei denen:

  • „mindestens eines der fusionierenden Unternehmen, das erworbene Unternehmen oder das Gemeinschaftsunternehmen in der Union niedergelassen ist und in der Union einen Gesamtumsatz von mindestens 500 Mio. EUR erzielt“ und
  • „Unternehmen in den drei Jahren vor Vertragsabschluss, Veröffentlichung des Übernahmeangebots oder Erwerb einer die Kontrolle begründenden Beteiligung von Drittstaaten finanzielle Zuwendungen von insgesamt mehr als 50 Mio. EUR erhalten haben“,

unterliegen einer Anmeldepflicht bei der Kommission.

Nach Eingang der Anmeldung der Transaktion hat die Kommission 25 Werktage Zeit für eine Vorprüfung, auf die eine eingehende Prüfung des Geschäfts (Prüfungszeitraum von 90 Werktagen) folgen kann, welche wiederum (unter bestimmten Umständen) um weitere 15 Werktage verlängert werden kann.

Wichtig ist, dass die FSR-Verordnung eine „Stillhalteverpflichtung“ enthält, was bedeutet, dass im Zeitraum der Vorprüfung der Anmeldung das fragliche Geschäft nicht vollzogen werden darf. Wenn sich die Kommission ferner für die Durchführung einer eingehenden Prüfung entscheidet, verlängert sich die Stillhalteverpflichtung ebenfalls und das Geschäft darf erst nach Ablauf der auf die Eröffnung der eingehenden Prüfung folgenden 90 Werktage vollzogen werden.

Abhängig vom Ergebnis der Analyse erlässt die Kommission entweder:

  • den Beschluss, keine Einwände gegen die Transaktion zu erheben;
  • den Beschluss, die Transaktion vorbehaltlich bestimmter Verpflichtungen der Parteien des Geschäfts zuzulassen, welche das Ziel haben, die Verzerrungen des Marktes zu beheben;

oder

  • den Beschluss, eine Transaktion zu untersagen, falls die Kommission zu dem Schluss kommt, dass eine drittstaatliche Subvention den Binnenmarkt verzerrt.

Während die Umsatzschwelle (500 Mio. EUR) eher hoch ist, ist der Schwellenwert für finanzielle Zuwendungen (50 Mio. EUR innerhalb der 3 Jahre vor der Transaktion) relativ niedrig, insbesondere vor dem Hintergrund einer sehr breiten Definition von „finanzielle Zuwendung“. Daher werden die Bestimmungen der FSR-Verordnung eine zusätzliche Prüfungsebene innerhalb der Due-Diligence-Prozesse in Bezug auf eine bestimmte Transaktion erforderlich machen und sowohl die Transaktionsdokumente als auch den Zeitplan für die Geschäfte beeinflussen, die in den Geltungsbereich der FSR-Verordnung fallen.

IV. Was ist mit öffentlichen Ausschreibungen?

Die Anmeldepflicht bei der Kommission gilt auch für bestimmte öffentliche Ausschreibungen. Wenn ein bestimmtes Unternehmen innerhalb der EU an einer öffentlichen Ausschreibung teilnimmt, muss es dies bei der Kommission anmelden, wenn gemeinsam die folgenden Schwellenwerte erreicht werden:

  • der Auftragswert entspricht oder übersteigt 250 Mio. EUR oder, im Falle einer in Lose aufgeteilten Ausschreibung, der Wert des Loses oder der Gesamtwert der Lose, für das/die ein Gebot abgegeben wird, entspricht oder übersteigt 125 Mio. EUR;
  • der Bieter (einschließlich seiner Tochtergesellschaften und/oder Holdinggesellschaften) und seine an der gleichen Ausschreibung teilnehmenden Hauptauftragnehmer (oder Lieferanten) haben in den drei Jahren vor der Anmeldung aggregierte drittstaatliche finanzielle Zuwendungen von mindestens 4 Mio. EUR erhalten.

Im Hinblick auf öffentliche Ausschreibungen führt die Kommission die Vorprüfung der Anmeldung innerhalb von 20 Werktagen durch und kann diese Frist um 10 Werktage verlängern. Falls die Kommission beschließt, eine eingehende Prüfung durchzuführen, muss diese Analyse innerhalb von 110 Werktagen ab dem Datum des Eingangs der vollständigen Anmeldung abgeschlossen werden. Wenn die Kommission feststellt, dass die drittstaatlichen Subventionen den Binnenmarkt verzerren, wird die Kommission einen Beschluss erlassen:

  • die vom Bieter angebotenen Zusagen und Abhilfemaßnahmen anzunehmen und verbindlich zu machen;
  • die Auftragsvergabe im Rahmen der Ausschreibung zu untersagen, falls der Bieter keine relevanten Zusagen anbietet oder falls solche Zusagen von der Kommission als unangemessen oder unzureichend erachtet werden.

Wenn die Kommission zu dem Schluss kommt, dass die drittstaatliche Subvention den Binnenmarkt nicht verzerrt, erlässt die Kommission den Beschluss, die Auftragsvergabe zu genehmigen.

V. Kann die Kommission im Rahmen der FSR-Verordnung weitere Untersuchungen durchführen?

Die FSR-Verordnung umfasst auch eine „Sammelmaßnahme“, die es der Kommission ermöglicht, von Amts wegen, alle potenziell verzerrenden drittstaatlichen Subventionen zu prüfen.

Es wird davon ausgegangen, dass drittstaatliche Subventionen, die in dem aufeinanderfolgenden Zeitraum von drei Jahren den Betrag von 4 Mio. EUR nicht überschreiten, den Binnenmarkt eher nicht verzerren.

VI. Wie kann man sich auf die FSR-Verordnung vorbereiten?

Unternehmen, die auf dem EU-Markt tätig sind, können und müssen sich auf die Anforderungen der FSR-Verordnung vorbereiten.

Unter Berücksichtigung der Tatsache, dass die Kommission, von Amts wegen, ein Verfahren im Zusammenhang mit drittstaatlichen Subventionen einleiten kann, könnte eine ordnungsgemäße Aufzeichnung und Sammlung von Informationen über den Umfang und das Ausmaß drittstaatlicher Subventionen erforderlich sein, selbst wenn ein bestimmtes Unternehmen nicht an einer öffentlichen Ausschreibung oder einem M&A-Geschäft teilnimmt.

Unternehmen, die an öffentlichen Ausschreibungen und M&A-Transaktionen teilnehmen, müssen zudem neue Anmeldepflichten und Stillhalteverpflichtungen berücksichtigen, die eine weitere Ebene an Verwaltungsagenden hinzufügen und sich auf den Zeitplan des entsprechenden Vorgangs auswirken.

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Autor: Daniel Kida