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Anerkennung ausländischer Urteile in der Türkei

In einer zunehmend globalisierten Welt gewinnt die grenzüberschreitende Durchsetzung von Gerichtsurteilen stetig an Bedeutung. Die Anerkennung ausländischer Urteile ermöglicht es, im Ausland ergangene gerichtliche Entscheidungen auch in der Türkei vollstreckbar zu machen. Das türkische Recht regelt die Voraussetzungen und das Verfahren zur Anerkennung ausländischer Urteile in den Artikeln 50 bis 59 des Gesetzes Nr. 5718 über das Internationale Privat- und Zivilverfahrensrecht (MÖHUK).

Inhaltsübersicht

  • Warum muss ein ausländisches Urteil in der Türkei anerkannt werden?
  • Wo muss das ausländische Urteil anerkannt werden?
  • Wie ist der Ablauf des Anerkennungsverfahrens?
  • Welche Unterlagen müssen bei Gericht eingereicht werden?
  • Was sind die Rechtsfolgen der Anerkennung des ausländischen Urteils?

Warum muss ein ausländisches Urteil in der Türkei anerkannt werden?

Ein im Ausland ergangenes Urteil entfaltet grundsätzlich keine unmittelbare Rechtswirkung in der Türkei. Dies beruht auf dem Souveränitätsprinzip, wonach hoheitliche Akte eines Staates nicht automatisch in einem anderen Staat Geltung beanspruchen können. Die Anerkennung ist daher erforderlich, um:

  • Rechtssicherheit herzustellen: Das ausländische Urteil wird durch türkische Gerichte überprüft und erhält dadurch innerstaatliche Geltung.
  • Vollstreckbarkeit zu ermöglichen: Nur anerkannte Urteile können in der Türkei vollstreckt werden, etwa bei Zahlungsansprüchen oder Eigentumsübertragungen.
  • Doppelprozesse zu vermeiden: Die Anerkennung verhindert, dass dieselbe Rechtsstreitigkeit erneut vor türkischen Gerichten ausgetragen werden muss.
  • Rechte durchzusetzen: Berechtigte können ihre im Ausland erstrittenen Rechte auch gegenüber in der Türkei befindlichen Personen oder Vermögensgegenständen geltend machen.

Wo muss das ausländische Urteil anerkannt werden?

Die örtliche und sachliche Zuständigkeit für Anerkennungsverfahren ist im türkischen Recht klar geregelt:

Sachliche Zuständigkeit: Gemäß Art. 58 MÖHUK sind die Landgerichte, Kammern für Zivilsachen (Asliye Hukuk Mahkemesi), für Anerkennungsverfahren zuständig. Handelt es sich bei dem ausländischen Urteil um ein Urteil in handelsrechtlichen Streitigkeiten, sind die Kammern für Handelssachen der Landgerichte (Asliye Ticaret Mahkemesi) zuständig. In familienrechtlichen Streitigkeiten wie Scheidungsurteilen oder Urteilen über Unterhaltszahlungen sind die Familiengerichte (Aile Mahkemeleri) zuständig.

Örtliche Zuständigkeit: Die Zuständigkeit bestimmt sich wie folgt:

  1. Zuständig ist das Gericht am Wohnsitz des Antragsgegners (der Person, gegen die die Anerkennung geltend gemacht wird)
  2. Falls kein Wohnsitz in der Türkei besteht, sind die Gerichte in Ankara, Istanbul und Izmir zuständig.
  3. Bei Urteilen über unbewegliches Vermögen (Immobilien) ist das Landgericht zuständig, in dessen Gerichtsbezirk die Immobilie gelegen ist.

Wie ist der Ablauf des Anerkennungsverfahrens?

Das Anerkennungsverfahren ist ein reguläres Gerichtsverfahren, an dem beide Parteien beteiligt sind. D.h. beantragt die obsiegende Partei aus dem ausländischen Urteil die Anerkennung dieses Urteils, wird dieser Antrag der unterliegenden Partei zugestellt. Die unterliegende Partei hat anschließend die Möglichkeit, sich zu dem Verfahren einzulassen.

1. Formelle Prüfung: Das Gericht prüft zunächst, ob alle erforderlichen Unterlagen vollständig und ordnungsgemäß vorgelegt wurden.

2. Materielle Prüfung: Das Gericht untersucht, ob die gesetzlichen Anerkennungsvoraussetzungen gemäß Art. 54 MÖHUK erfüllt sind:

  • Gegenseitigkeit zwischen der Türkei und dem Urteilsstaat
  • Der Streitgegenstand fällt nicht in die ausschließliche Zuständigkeit türkischer Gerichte
  • Ordnungsgemäße Zustellung an die beklagte Partei und Gewährung rechtlichen Gehörs
  • Keine Verletzung des türkischen Ordre public (öffentliche Ordnung)
  • Rechtskraft des ausländischen Urteils

3. Mündliche Verhandlung: Die Parteien werden zur mündlichen Verhandlung geladen und können Stellungnahmen abgeben.

4. Gerichtsentscheidung: Das Gericht entscheidet durch Urteil über die Anerkennung. Bei positiver Entscheidung wird das ausländische Urteil für vollstreckbar erklärt.

5. Rechtsmittel: Gegen die Entscheidung des Gerichts erster Instanz kann innerhalb von zwei Wochen Beschwerde beim Berufungsgericht eingelegt werden.

Welche Unterlagen müssen bei Gericht eingereicht werden?

Für ein erfolgreiches Anerkennungsverfahren sind folgende Dokumente erforderlich:

  • Urteil des ausländischen Gerichts im Original, versehen mit Apostille gemäß dem Haager Übereinkommen,
  • Rechtskraftbescheinigung: Nachweis, dass das ausländische Urteil rechtskräftig und vollstreckbar ist
  • Notariell beglaubigte türkische Übersetzung des ausländischen Urteils.

Was sind die Rechtsfolgen der Anerkennung des ausländischen Urteils?

Die erfolgreiche Anerkennung eines ausländischen Urteils durch ein türkisches Gericht hat weitreichende rechtliche Konsequenzen:

Vollstreckbarkeit: Das anerkannte Urteil kann in der Türkei vollstreckt werden wie ein inländisches Urteil. Dies umfasst insbesondere:

  • Zwangsvollstreckung in bewegliches und unbewegliches Vermögen
  • Pfändung von Bankkonten und Forderungen
  • Eintragungen im Grundbuch
  • Durchsetzung von Unterhaltszahlungen

Bindungswirkung: Das anerkannte Urteil entfaltet Rechtskraftwirkung in der Türkei. Die durch das Urteil entschiedene Rechtsfrage kann nicht erneut vor türkischen Gerichten verhandelt werden.

Registerliche Wirkungen: Bei familienrechtlichen Entscheidungen (beispielsweise Scheidung) kann nach der Anerkennung die Eintragung in türkische Personenstandsregister erfolgen.